NRW hat ein Bürgerenergiegesetz. Damit profitieren Kommunen und Menschen vor Ort noch mehr von neuen Windenergieanlagen. Mit dem vom Landtag am vergangenen Freitag, dem 15. Dezember, verabschiedeten Gesetz werden nicht nur der Klimaschutz und die Sicherheit unserer Stromversorgung gestärkt, sondern auch die kommunalen Finanzen und die Bürger*innen vor Ort. Denn das Gesetz sieht vor, dass die Menschen und Kommunen an den Windenergieanlagen in ihrem Umfeld finanziell beteiligt werden. Mit dem Gesetz geht NRW deutlich über die bisherigen Regelungen in anderen Bundesländern hinaus – denn das NRW-Gesetz ist flexibel und verbindlich.
Wie funktioniert das Bürgerenergiegesetz?
Wer eine neue Windenergieanlage installieren will, ist durch das Gesetz verpflichtet, mit den Standortgemeinden eine Beteiligungsvereinbarung auszuhandeln. Was eine solche Vereinbarung beinhaltet, ist dabei den Kommunen und Betreiber*innen im ersten Schritt relativ freigestellt. Dadurch bietet das Gesetz eine hohe Flexibilität, um für die Situation vor Ort eine geeignete und breit akzeptierte Beteiligungsmöglichkeit zu finden. Das kann zum Beispiel eine Beteiligung an der Projektgesellschaft, ein Nachrangdarlehen, die Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften, aber auch vergünstigte lokale Stromtarife oder pauschale Zahlungen an die Anwohner*innen sein. Kommunen und Betreiber*innen können sich auf die vor Ort passende und damit bestmögliche Beteiligungsmöglichkeit einigen. Eine solche Beteiligungsvereinbarung wird wirksam, sobald sich das Windrad dreht.
Wenn sich Kommune und Betreibergesellschaft nicht auf eine solche individuelle Beteiligungsvereinbarung einigen können, sieht das Gesetz eine Art Standardbeteiligung vor, die sogenannte Ersatzbeteiligung. Diese zweite Stufe des Gesetzes sorgt dafür, dass eine Beteiligung der Bürger*innen und der Kommunen zur Pflicht wird. Die Ersatzbeteiligung besteht aus zwei Säulen: Zum einen erhalten die Anwohner*innen das Angebot eines Nachrangdarlehens – das ist ein verzinster Kredit an die Betreibergesellschaft. Das Gesetz legt eine Summe von 90.000 Euro pro Megawatt installierter Leistung fest, die die Betreibergesellschaft den Anwohner*innen anbieten muss. Zur Veranschaulichung: An einer großen neuen Anlage mit 5 Megawatt können sich die Anwohner*innen folglich mit 450.000 Euro beteiligen – zu einem attraktiven Zinssatz, der sich an die Zinshöhe eines KfW-Programms anlehnt. Dieser liegt derzeit bei 5,84 Prozent, also deutlich höher als bei gängigen Festgeldangeboten von Banken. Die Mindesteinlage beträgt 500 Euro pro Anwohner*in, der Höchstbetrag ist auf 25.000 Euro gedeckelt. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre. Wird nicht die gesamte angebotene Summe des Nachrangdarlehens von den Anwohner*innen gemeinschaftlich in Anspruch genommen, können die Gemeinde oder etwa die örtlichen Stadtwerke einspringen und sich auch am Nachrangdarlehen beteiligen.
Die zweite Säule ist eine verpflichtende Zahlung der Betreibergesellschaft an die Standortgemeinde von 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde. Eine große Windenergieanlage mit 5 Megawatt erzeugt pro Jahr grob überschlagen rund 15 bis 18 Millionen Kilowattstunden. Somit kämen pro Windenergieanlage und Jahr allein durch das Gesetz garantiert etwa 30.000 bis 36.000 Euro in die Gemeindekasse, über die 20-jährige Mindestdauer dieser Zahlung also 600.000 bis 720.000 Euro.
Werden die Zahlungen aus Beteiligungsvereinbarung oder Ersatzbeteiligung nicht ordnungsgemäß beglichen, greift die dritte Stufe des Gesetzes. Dann muss die Betreibergesellschaft der Windenergieanlage eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 0,8 Cent je erzeugter Kilowattstunde an die Standortgemeinde zahlen, solange sie den festgelegten Zahlungen nicht nachkommt. Da das finanziell wenig attraktiv ist, haben die Betreiber*innen einen hohen Anreiz, mithilfe einer Beteiligungsvereinbarung oder Ersatzbeteiligung für eine reguläre Beteiligung zu sorgen.
Welche Änderungen wurden im Vergleich zum ersten Entwurf vorgenommen?
Gemeinsam mit der CDU-Fraktion haben wir im September 2023 einen ersten Entwurf vorgelegt. Dazu wurden im Landtag Expert*innen und Stakeholder angehört, die viele hilfreiche und konstruktive Vorschläge und Anmerkungen zum ersten Entwurf gemacht haben. Diese haben die Fraktionen ausgewertet, diskutiert und viele davon in das jetzt beschlossene Gesetz aufgenommen. So ist im parlamentarischen Prozess aus einem guten Entwurf ein noch besseres Gesetz geworden.
Durch die Änderungen (im Detail hier) wurde klargestellt, dass die Gespräche über eine Beteiligungsvereinbarung nicht unter das Strafrecht fallen. Zudem wurde präzisiert, wie Nachbarkommunen beteiligt werden sollen: Durch unsere Änderungen wird nicht nur die einzelne Standortgemeinde beteiligt, sondern auch angrenzende Gemeinden können beteiligungsberechtigt sein. Dabei gilt analog die Regelung aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz. Außerdem haben wir die Stellung von Bürgerenergiegesellschaften hervorgehoben. Zudem werden weniger Windenergieprojekte vom Gesetz ausgenommen, sodass Windenergieanlagen, die einzelne Baugebiete oder Unternehmen per Direktvermarktung versorgen, nun auch in den Geltungsbereich der Regelung fallen, es sei denn es handelt sich um Anlagen zur Eigenversorgung in Gewerbe- und Industriegebieten. Darüber hinaus wurden an einigen Stellen administrative Anforderungen und Informationspflichten der Betreibergesellschaften reduziert.
Auch wird nun das Volumen des Nachrangdarlehens an die installierte Leistung geknüpft (90.000 Euro pro Megawatt) und der Zinssatz anders bemessen. Bei einer Unterzeichnung haben die Kommunen oder kommunale Unternehmen jetzt das Recht, den verbleibenden Rest zu zeichnen. Um als Vorhabenträger*in schneller Planungssicherheit und Klarheit zu haben, enthält das Gesetz eine Rückmeldefrist zur Beteiligungsvereinbarung für die Gemeinden.
Für welche Windenergieanlagen gilt das Gesetz?
Das Gesetz gilt für alle neuen Windenergieanlagen und greift auch beim Repowering, also dem Ersatz alter Anlagen durch neuere und leistungsstärkere. Ausgenommen sind Windenergieanlagen, die durch Bürgerenergiegesellschaften errichtet werden, da bei diesen bereits eine Beteiligung der Bürger*innen erfolgt. Ebenso sind Anlagen zu Forschungszwecken sowie Windenergieanlagen von Unternehmen in Industrie- und Gewerbegebieten, die zu deren Eigenversorgung dienen, ausgenommen. Zudem gelten Übergangsfristen: Genehmigte Anlagen und Anlagen, bei denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vollständige Unterlagen eingereicht waren, sind ausgenommen, um laufende Projekte nicht zu gefährden.
Was soll mit den kommunalen Einnahmen passieren?
Das Gesetz sieht vor, dass die Kommunen die Einnahmen zur Aufwertung des Ortsbildes, der Verbesserung der Infrastruktur, zur Senkung der Energiekosten oder des Energieverbrauchs sowie zum Ausbau der Erneuerbarer Energien einsetzen, damit Kultur, Bildung oder Natur-, Arten- und Klimaschutz finanzieren oder vergleichbare Ausgaben tätigen.
Warum braucht NRW ein Bürgerenergiegesetz?
Klar ist: Die Windenergie ist ein zentraler Pfeiler einer klimafreundlichen, zukunfts- und wettbewerbsfähigen Stromversorgung. Industriebetriebe siedeln sich inzwischen dort an, wo sie vollständig mit günstigen Erneuerbaren Energien versorgt werden. Der Ausbau der Windenergie ist daher nicht nur aktive Klimapolitik, sondern auch essenzieller Teil der Wirtschaftspolitik. Für uns als schwarz-grüne Koalition bedeutet dies: Um Industrieland bleiben zu können, braucht NRW einen ambitionierten Ausbau der Windenergie. Darum hat sich Schwarz-Grün das ehrgeizige Ziel auf die Fahne geschrieben, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bis zum Ende der Legislatur 1.000 neue Windenergieanlagen entstehen.
Damit ist NRW nicht allein: In ganz Deutschland nimmt der Ausbau der Windenergie nach einigen schwachen Jahren wieder Fahrt auf. Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt, den Ausbau auf ein Niveau von 10 Gigawatt pro Jahr zu steigern. Bis zum Jahr 2030 sollen Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 115 Gigawatt in Deutschland installiert sein – etwa doppelt so viel wie derzeit.
Die Akzeptanz der Windenergie ist in Deutschland hoch: Konstant über 80 Prozent der Menschen in Deutschland halten ihren Ausbau in Deutschland für wichtig oder sehr wichtig. Auch die Zustimmung in der direkten Nachbarschaft ist, entgegen manchen Unkenrufe, sehr hoch. Auch hier sagen rund vier Fünftel der Menschen, dass sie mit diesen Anlagen einverstanden sind – besonders akzeptiert ist die Windenergie im unmittelbaren Umfeld übrigens dort, wo bereits solche Anlagen stehen. Die Akzeptanz ist also da, Bevölkerung und Wirtschaft wollen klimafreundlichen Strom aus Windenergie und sind auch bereit, die dafür notwendigen Anlagen im Wohnumfeld zu akzeptieren.
Diese Akzeptanz gilt es zu erhalten und weiter zu steigern – dazu leistet das Bürgerenergiegesetz einen maßgeblichen Beitrag.
Welche Herausforderungen gab es bei der Ausgestaltung des Bürgerenergiegesetzes?
Weil alle Bundesländer ihre Ausbauraten massiv steigern wollen, braucht NRW attraktive Bedingungen, damit die Projektierer*innen und Betreiber*innen der Anlagen keinen Bogen um unser Bundesland machen. Aufgabe eines solchen Gesetzes ist es also, bessere Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten, ohne den beschleunigten Ausbau zu gefährden. Mit unserem Gesetz sichern wir beides ab, denn es verpflichtet zur Bürgerbeteiligung, bietet dabei aber genug Flexibilität in der Umsetzung vor Ort. Viele weitere Bundesländer, etwa Niedersachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt arbeiten derzeit an ähnlich gelagerten Gesetzen. Das NRW-Gesetz belässt den Akteuren, also den Kommunen und den Projektträger*innen besonders viele Freiheiten – nur eines vermeidet es durch seine Verbindlichkeit: dass es keine Bürgerbeteiligung gibt.